Album
Der Rittergüter und Schlösser
Des Königreiches Ssachsen
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von G. A. Poenike
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1. Section Leipziger Kreis
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Auszug der Seiten 132 - 134
Obernitzschka, welches mit- Unternitzschka beinahe
zusammenhängt, liegt eine Meile von Grimma und l Stunde oberhalb Wurzen
und ½ Stunde von Trebsen am rechten Ufer der Mulde, unweit der Strasse
von Wurzen nach Leisnig, in einer breiten, wiesenreichen angenehmen Aue,
gegen 440 Pariser FUSS über dem Meere. Von den jenseitigen Höhen
bei Walzig und Pausitz giebt der Ort eine vortreffliche Ansicht. Die Einwohnerzahl
beträgt über 400 Seelen. In Obernitzschka ist eine sehr schöne
Kirche, die Schwesterkirche des mehr im Süden liegenden Neichen. Hinzugepfarrt
sind Unternitzschka, Oelzsch und die Sonnenmühle Obernitzschka hatte
auch seinen eigenen Pfarrer früher, weshalb heute noch Letzterer sein
Wohnhaus auch Grundstücke und Garten zur Benutzung und Pflege innen
hat. Die Kirche gehört unter die Präpositur
und Sedes Wurzen.
Im Jahre 1546 sind beide Kirchen vereinigt worden.
Der damalige Herr Besitzer von Obenitzschka, Herr von Minkwitz, stellte
nämlich nach dem Abgange des Pfarrers in Obernitzschka, und nach dem
gleichzeitigen Ableben des Pfarrers in Neichen nur einen Pfarrer l'üi-
beide Kirchen an, weil die Stellen zu gering waren und zwei nicht davon
leben konnten. Nach dem Tode des Herrn von Minkwitz, welcher neben Obernitzschka
zugleich Trebsen besass, wohin Neichen gehört, kam das letztere Gut
(Trebsen) in andere Hände und es entstand Streit zwischen dem Besitzer
desselben und dem von Obernitzschka über die Besitzung der Plärre,
indem beide Besitzer ihre Kirche für die Hauptkirche erklärten,
also beide das Besitzungsrecht in Anspruch nahmen.
Das damalige Consistorium zu Leipzig entschied dahin,
dass bei solcher Sachlage das Collaturrecht zwischen beiden Besitzern abwechseln
solle. Und so ist es heute noch. An beiden Kirchen ist ein Pfarrer geblieben,
der in Neichen wohnt, aber in beiden Kirchen gleich Functionen hat.
Was die Kirche von Obernitzschka selbst anlangt, so
ist solche auf einem hohen Platz erbaut, von welchem man eine weile schöne
Aussicht hat. Sie grenzt unmittelbar mit dem Herrenhause des Ritterguts.
Die Zeit ihrer Erbauung kann nicht genau bestimmt werden. Nach allen Andeutungen
zu schliessen ist dieselbe vor der Reformation schon erbaut worden. Sie
hat manches Schicksal erfahren, im Jahre 1674 stürzte der Thurm ein,
wodurch das Chor bis an die hälfte der Canzel mit herunter gerissen
wurde, ohne jedoch das Rittergut zu beschädigen. Die Maurer suchten
die Ursache des Einsturzes in den dein Grunde des Thurmes zu nahe gebrachten
Gräbern. Bis zum Jahre 1677 ist an dem neuen Thurm dann gebaut, und
das Innere der Kirche nach und nach hergestellt worden.
Im Jahre 1604 wurde durch ein grosses Feuer, durch
welches die Rittergutsgebäude, 6 Bauergüter, Pfarre und Schule
niederbrannten, der Thurm abermals mit zerstört, ohne jedoch der Kirche
selbst ist grossen Schaden zu thun. Die 3 Glocken waren zerschmolzen und
herabgefallen.
Der neue GUSS erfolgte in Dresden und 1845 erfolgle
die Weihe der neuen Glocken. Die Inschriften derselben sind folgende:
Auf der grossen:
Soli deo gloria
Post incendium die XVI Maji 1704
repente exortum
haec restauratio facta
Fautore Joanne Lämmel
Consiliario intimo regis Poloniae
Comissario Zaariano
Collatore Johann Georg de Minkwitz
Capitaneo Praefecturae Grimmensis
Pastore Johann Michael Bergmann
Per Mettali fussorem regium Dresdensem
Michael Weinholdt 1705.
Auf der mittleren:
Ich ruf zu Gottesdienst, zu Freud und Leid euch alle
Wie Gott es schickt, kommt oft, damit, es Gott gefalle.
1705 goss mich Michael Weinhold in Dresden.
Auf der kleinen:
Ich rufe nur das Volk zu Gottes Ehr allein;
Der lasse sie und mich stets ohne Schaden sein.
So lange der Thurm noch nicht fertig aufgebaut war,
hingen diese in einem auf dem Kirchhofe dazu eigends erbauten Glockenhause.
Pfarre und Schule waren schon bis zum Jahre 1713 wieder hergestellt.
Die Kanzel der Kirche ist ebenfalls neu und hinter
derselben in der Wand sieht man einen vormaligen Besitzer des Gutes, in
Stein gehauen, die Hände gefaltet, sowie auch weiterhin im Schiffe
an der Wand das Auge ein steinernes Epitaphium erblickt, welches einem
Mitgliede der von Holleufer'schen Familie gesetzt worden ist.
Ausser den oben erwähnten eingepfarrten Dorfschaften
gehörte vor dem Jahre 1540 das Dorf Pyrna noch dazu, zu welcher Zeit
die eingepfarrten Orte Oelzsch und die Sonnenmühle, in die Kirche
auf der sogenannten Selnitzmark eingepfarrt gewesen sind. In früher
Zeit existierte nämlich ein Dorf Selnitz und von diesem hat die Selnitzmark
den Namen. Ausser der Ruine von der Kirche ist von Allem keine Spur mehr
zu finden. Die Besitzer dieser Mark — Bewohner der Orte Oelscchütz,
Nemt und Dehnitz — führen heute, noch den Namen Selnitznachbarn und
Pyrna gehört heute noch zu Obernitzschka.
In der ins 14. Jahrhundert gehörigen Meissner
Stifts-Matrikul heisst der Ort blos Nilzschew.
In dieser Zeit gehörte das Rittergut der von
Holleufer'schen Familie und von dieser ist es an die aus dem Winkel gekommen,
welche es über 100 Jahre besessen haben. Dann im 16. Jahrhundert und
zwar schon 1519 war es im Besitze der Herren von Minkwitz, welche noch
im Jahre. 1720 damit beliehen waren. Von dieser Zeit an kam es an die von
Mahlmann'sche Familie. Der erste von Mahlmann war der geniale Dichter und
Hofrath Mahlmann zu Leipzig, dessen Dichtungen weit hin heute noch von
der Jugend und von dem Alter nicht ohne innere Regung gelesen werden. Welche
Begeisterung und Andacht liegt in seinem „Gebet des Herrn." Du hast deine
Säulen dir aufgebaut und deine Tempel gegründet u. s. w. Der
Schwiegersohn dieses gefeierten Dichters Herr E. G. C. Baron von Lorenz
ist der jetzige Besitzer dieses herrlichen Gutes.
Den alten in der Nähe des Gutes befindlichen
mit einem Wall umgebenen Thurm wollen Einige auch für den Sitz eines
Burgwarts ausgeben, wiewohl in den Urkunden nirgends Etwas darüber
zu finden ist.
Obernitzschka hat einen starken Wieswachs zum Theil
jenseits der Mulde, weshab das Heu grösstenthils auf Kähnen transportiert
werden muss. Es hat gute und vortreffliche Wirthschaft mit schönen
Gebäuden und besonders zeichnet sich das Schloss mit seiner angenehmen
Lage aus. M. G.